Notizen zum Kommunistischen

Vorarbeiten zu einem Buchprojekt

Die Frage der Reichweite von Revolutionen zu diskutieren heißt auch, diese in den Fluss der Geschichte zu stellen. Ihre Vorgeschichte ist genauso wichtig wie das Studium ihres Verlaufes und der sich daraus ergebenden Folgen. Für den Fall der Revolutionen des Jahres 1917 in Russland bedeutet dies, die Spezifik der Verflechtung der Bauern- und der Arbeiterrevolutionen sowie der Entwicklungen in Westeuropa auf der einen und Russland auf der anderen Seite zu fassen.

Man kann unter diesem Gesichtspunkt die Ereignisse auch als Kollision archaisch-kommunistischer Elemente, wie sie in der russischen Dorfgemeinde noch gelebt wurden, mit kapitalistischen, kommunistisch-anarchistischen und bolschewistisch-kommunistischen Auffassungen und Praxen verstehen.

Die hier versammelten Notizen sind Vorarbeiten zu einem Buch über das KOMMUNISTISCHE, nicht über den Kommunismus. Der Unterschied mag haarspalterisch erscheinen. Gemeinhin wird im Begriff des Kommunismus Praxis und Gesellschaftskonzept gleichermaßen erfasst. Das ist möglich, verstellt aber den Blick auf das Werden und die Entwicklung von so bezeichneten Verhältnissen.

Im abschließenden Beitrag von Brie/Brangsch heißt es:

„Letztlich ist es das Werden des Kommunismus als Entstehen und Vergehen sich kommunistisch oder sozialistisch definierender Praxen, worum es geht. Die Vorstellung, dass realer Kommunismus einfach mit einer Kraftanstrengung und dem richtigen Bewusstsein zu erreichen sei, ist nicht nur durch die Praxis widerlegt. Das dahinter stehende Verständnis von Gesellschaftsveränderung prägte auch den Blick auf das Kommunistische und führte nicht selten zu einer Abwertung der kleinen täglichen Kämpfe. Wenn das 20. Jahrhundert eines gelehrt haben sollte, so, dass die kommunistische Umwälzung nur ein Jahrhundertewerk sein kann, in dem die Menschen, vor allem die, die sich KommunistInnen nennen, beständig lernen und sich verändern müssen. Ist Stillstand für den Kapitalismus tödlich, so gilt dies noch in viel höherem Maße für das Kommunistische. Unter diesem Gesichtspunkt muss man noch konsequenter als Porcaro sagen, dass es nicht nur um den Vorschlag sozialistischer Projekte geht, sondern auch um die Möglichkeit, sie praktisch zu leben. Das Kommunistische erwächst aus dem Alltag – gefordert ist die Fähigkeit, es zu erkennen, unabhängig davon, welche Attribute es sich gibt oder ihm gegeben werden. Das Kommunistische bewährt sich, wenn es sich denn bewährt, als eine transformatorische Praxis, die zugleich Veränderung der eigenen Handlungsbedingungen und Selbstveränderung der Akteure ist. Das aber kann nichts anderes sein als ein langer historischer Prozess mit Brüchen und großen historischen Kontinuitäten.“

siehe auch: Lutz Brangsch/ Michael Brie (Hrsg.) Das Kommunistische. Oder: Ein Gespenst kommt nicht zur Ruhe. Mit Beiträgen von Bini Adamczak, Friederike Habermann und Massimo De Angelis, VSA Verlag Hamburg 2016

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