Strukturale Marx-Lektüre (ab Mitte 1960er Jahre)

Der Strukturalismus hat alle wichtigen Bereiche der (Geistes-)Wissenschaften beeinflusst, darunter die an Marx orientierte Gesellschaftskritik. Auch wenn es geradezu ein Erkennungsmerkmal des Strukturalismus ist, dass seine Protagonisten diese Bezeichnung für sich ablehnen, werden die Werke und Debatten eines einflussreichen Kreises um den französischen Philosophen Louis Althusser als „strukturaler Marxismus“ bezeichnet.

Insbesondere das Gemeinschaftswerk Lire le Capital wird meist als Ausgangspunkt einer strukturalen Marx-Aneignung genannt – das 1965 erschienene Buch war ein gemeinsames Werk von Althusser, Étienne Balibar, Roger Establet, Pierre Macherey und Jacques Rancière. Wichtige Einflüsse auf die strukturale Marx-Lektüre hatten die Psychoanalyse Jacques Lacans und die Werke Antonio Gramscis. Der griechisch-französische Politologe und Philosoph Nicos Poulantzas gilt zudem als einer der wichtigsten marxistischen Staatstheoretiker aus diesem Umfeld. Weiterführende Texte zu seinem Werk finden sich unter anderem beim Projekt „Poulantzas lesen“ und beim Poulantzas-Institut.

Die strukturale Marx-Lektüre hat, wie die französische Philosophie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts insgesamt, wohl von allen neueren Marx-Aneignungen am stärksten international ausgestrahlt, insbesondere in den angelsächsischen Raum. Wichtige Texte von Althusser finden sich unter anderem im Marxists Internet Archive. Einen einführenden Vortrag des Philosophen Frieder Otto Wolf, Übersetzer der neu herausgegeben Schriften Althussers, über die neue Marx-Aneignung in Frankreich und Althussers strukturale Marx-Lektüre findet sich zum Nachhören hier.