Linke Parteien in den Vereinigten Staaten, 1989-2017

Der Niedergang der kommunistischen Linken in den USA begann weit vor 1989. Neoliberalismus und die technologische Revolution fragmentierten die Gesellschaft als Ganzes. Die Linke war dabei besonders von der Auflösung der Arbeiterklasse-Communities und der Belegschaften betroffen.

Die US-amerikanische Kommunistische Partei (KP, engl: Communist Party USA, CPUSA) und koexistierende politische Bewegungen in der US-Linken unterschieden sich z.T. deutlich von denen in Europa. Ihre Besonderheiten helfen zu verstehen, wie dieser Niedergang zustande kam. 

Wichtig ist zunächst, dass es nie eine sozialdemokratische Massenpartei in den USA gegeben hat, geschweige denn eine kommunistische Partei, die erfolgreich Kampagnen im Zuge nationaler Wahlen hätte durchführen können oder dürfen. Die KP hat, abgesehen von ihren Wahlaktivitäten auf lokaler Ebene, mit der Demokratischen Partei und den sozialen Bewegungen zusammengearbeitet, besonders jedoch mit der Arbeiterbewegung. Präsidenten in den USA werden nicht direkt über „Popular Vote“ gewählt, und sowohl die beiden großen Parteien als auch das Winner-take-all-System sind de facto und de jure fest verwurzelt.

Die „Rote Angst“ (red scare) in den 1950er Jahren schwächte sozialistische Parteien und linke Gewerkschaftsführungen. Zudem kam es in den 1950ern zum Höhepunkt eines fremdenfeindlichen Nationalismus der mit der Dämonisierung von Sozialismus und Kommunismus einherging. Diese Stimmung war bereits vorherrschend und prägend für die Kultur eines Landes, in dem dieser fremdenfeindliche Nationalismus in Form des „Nativismus“ weit verbreitet ist. Dass Sozialismus und Kommunismus mit „dem Fremden“ verbunden wurde, isolierte die Linke wirkungsvoll und sorgte für die öffentliche Akzeptanz der wiederkehrenden Repressionswellen und der ständigen Infiltrationen durch die Polizei.

In diesen Jahren begann die Bürgerrechtsbewegung die Arbeiterbewegung als wichtigste fortschrittliche Kraft in den USA abzulösen. Die Hegemonie des weißen Vorherrschaftsdenkens („white supremacy“) selbst innerhalb der Arbeiterbewegung wurde zunehmend infrage gestellt. Das verlangte ein Umdenken und eine neue Politik und führte zu wichtigen Anpassungen in Programm und Praxis der KP.

Zudem hatte die KP viele Mitglieder verloren, als die Verbrechen des Stalinismus bekannt wurden; in den 1960er Jahren war sie nur mehr ein Schatten einstiger Stärke. Sie erhielt zwar kleinere kurzlebige Auftriebe durch die Antikriegsbewegung während des Vietnamkriegs und den Fall Angela Davis, wurde aber schließlich vom Zusammenbruch des Sowjetreiches hart getroffen. Das war Hintergrund einer maßgeblichen Spaltung und abrupter Änderungen in den Auffassungen der Partei, obgleich ihre Praxis kaum davon betroffen war. 

Ironischerweise waren es die Gegenreaktionen der KP auf Gorbatschows Reformen, die das Ende der Partei einläuteten. Gus Hall war der etablierte Parteivorsitzende von 1959 bis 2000. Von Beginn an drehten sich  die Führungskämpfe in der KP  darum, welche Position der sowjetischen Führung an nächsten steht. So kam es, dass sich die Partei bei Wahl- und Arbeitskämpfen zurückhielt – teilweise auch aufgrund ihrer erzwungenen Isolation –, aber streng an dem von der KPdSU ausgearbeiteten Marxismus-Leninismus festhielt; weder Maoismus noch Eurokommunismus konnten in Halls Partei Fuß fassen.

Nach dem Tod von Henry Winston 1986, der gleichberechtigt mit Hall die Parteiführung innehatte, schaffte Hall Winstons Posten kurzerhand ab, anstatt ein anderes Mitglied in den Ko-Vorsitzenden Status zu befördern. Winston war über viele Jahre die hochrangigste schwarze Führungspersönlichkeit gewesen, und Halls Vorgehen wurde von vielen Parteimitgliedern als Schlag gegen die schwarzen Mitglieder gesehen.

Hall selbst, ein pro-sowjetischer Zentrist in den internen Parteikämpfen nach 1956, lehnte Gorbatschow als Zersetzer des Marxismus-Leninismus und des Sozialismus ab, behielt aber seine Ansichten für sich bis zum gescheiterten Putsch gegen Gorbatschow 1991, den Hall als Verteidigung des Sozialismus rechtfertigte. 

Danach brach ein erbitterter Kampf quer durch die Führungsriege aus. Halls Führung wurde Rassismus vorgeworfen, ein Vertrauensbruch mit der Sowjetunion, Korruption und die Unterdrückung parteiinterner Demokratie. Zum ersten Mal gewannen die Gegner des KPdSU-treuen Kurses die Mehrheit. Die meisten jungen Kader und die meisten schwarzen Mitglieder (einschließlich Angela Davis) trennten sich und halfen bei der Gründung des „Committees of Correspondence“ (der Name geht auf die amerikanische Revolution zurück).

Beide Gruppen gingen fortan getrennter Wege, und beide hielten internationale Verbindungen zu anderen Parteien, während sie innerhalb wie außerhalb der US-Linken isoliert blieben. Die Committees-Gruppe lockerte ihre früheren Positionen und nahm Linke anderer Strömungen auf, wurde ihre  geschichtliche Tradition aber nie wirklich los. Die Gruppe  existiert noch immer, aber ihr Einfluss schwindet zunehmend.

Die KP wiederum behielt zwar weiterhin einigen Einfluss in der Arbeiterbewegung, war aber weitgehend ziellos. Als Hall 2000 starb, begann die neue Parteiführung, die Ausrichtung auf den Marxismus-Leninismus zu überdenken und schwächte ihre traditionell sektiererische Haltung. Eine stärkere Ausrichtung nach rechts brachte sie dann jedoch in eine indifferente Haltung zu Bernie Sanders Kampagne und eher in die Nähe zu Clinton – im Gegensatz zur Haltung der Partei in den Wahlen 1972 und 1984, als Hall sich entschloss, persönlich gegen die linken Kampagnen der Demokraten George McGovern bzw. Jesse Jackson anzutreten.

Bürgerrechtsbewegung
Als sich die Bürgerrechtsbewegung in den späten 1960er Jahren vom Ziel der Integration ab- und einem schwarzen Nationalismus zuwandte, entstanden neue, rein „schwarze“ politische Formationen, gegen die das FBI mit brutaler Repression vorging. Einige Zeit bewegten sich diese Gruppen in Richtung Marxismus. Das änderte sich Mitte der 1970er Jahre, als schwarze Kandidat*innen, einige geschichtlich verbunden mit der kommunistischen Bewegung, erfolgreich auf lokaler und kommunaler Ebene kandidierten, meistens im Rahmen der Demokraten und in Städten mit einem großen Anteil einer schwarzer Bevölkerung, die durch die Bürgerrechtsbewegung und die Black Power Bewegung politisiert wurde. Durch solche Kandidaturen wurde der Grundstein für die späteren Präsidentschaftskampagnen von Jackson und Obama gelegt.

Die meisten schwarzen Mandatsträger*innen lösten sich allerdings von der militanten Haltung, die sie vor der Wahl bei der Kampagnenarbeit meist vertreten hatten. Im Süden der USA gibt es mittlerweile erneute Versuche, eine schwarze Wählerbasis zu aktivieren; eine erfolgreiche Bürgermeisterkampagnen gab es bereits in Jackson, Mississippi, von Chokwe Antar Lumumba vom „Malcolm X Grassroots Movement“.

Trotzkismus
Im Trotzkismus waren es nicht Gruppen aus der Mitte des US-amerikanischen Trotzkismus, die vom Zusammenbruch des Staatssozialismus profitierten. Vielmehr etablierten sich Vorposten obskurer britischer Strömungen. Noch in den 1990er Jahren versuchten die meisten amerikanischen Trotzkisten, sich in den Betrieben zu platzieren. Die „International Socialist Organisation“ (ISO) rückte jedoch von einer Politik im Bereich der Arbeit ab, engagierte sich auf dem Campus und wurde zu der am meisten wahrgenommenen marxistischen Gruppe bei Studierenden in der Phase ihrer Politisierung. Junge Menschen, die den Anarchismus und die globalisierungskritische Bewegung als zu begrenzt empfanden, bekamen bei der ISO schlüssige politische Konzepte und Trainings. In dieser Periode wuchs die ISO zur größten orthodoxen marxistischen Gruppe der USA.

Die ISO begann als Abspaltung der „Third Camp“-Gruppe der „International Socialist“. Diese „Third Camp“-Trotzkisten gibt es in den USA seit Max Shachtmans historischem Disput mit Trotzki und seinen Anhängern. Sie nahmen im Zweiten Weltkrieg eine „Plague on all houses“-Haltung ein (etwa „Pest auf all eure Häuser“). Die ISO schloss sich der internationalen Strömung um Tony Cliff an, dem Vorsitzenden der britischen „Socialist Workers Party“, der im Gegensatz zur lockeren Ausrichtung der „International Socialist“ in den USA einen leninistischen Ansatz befürwortete. Die ISO brach später organisatorisch mit den „Cliffianern“, behielt aber den Grundansatz und die Politik bei.

Die ISO fährt gegenüber einer Arbeit mit oder gar in der Demokratischen Partei sowie gegen die „Erbsünde“ der Volksfront eine harte Linie. Sie steht allen Regierungen feindlich gegenüber – inklusive linker Regierungen, die sie entweder als sozialdemokratisch oder stalinistisch einordnet. Das war Gegenstand großer Kontroversen mit anderen Trotzkisten, die etwa die kubanische Regierung unterstützten oder gar verherrlichten. 

Die aktuelle Situation: SAlt, DSA, Sanders
Nach 2013 gewann die „Socialist Alternative“ (SAlt), die erfolgreich einen Kandidaten für den Stadtrat in Seattle aufstellte, große Aufmerksamkeit. Es war das höchste Mandat, das ein bekennender Sozialist seit Jahrzenten gewonnen hatte, und die SAlt nutzte es geschickt, um zu einem Anziehungspunkt zu werden. Die SAlt ist eine Sektion des „Committee for a Workers` International“, eine in London ansässige Gruppe mit Wurzeln in der entristischen britischen „Militant“-Gruppe und in den USA praktisch unbekannt.

Die „Democratic Socialists of America“ (DSA) entstand in den 1990er Jahren und war die mitgliederstärkste Gruppe in der sozialistischen Linken. Sie war das letzte einflussreiche Überbleibsel der „Socialist Party“ (SP) von Eugene Debs und Norman Thomas. Mit 24.000 Mitgliedern Mitte 2017 übertrifft sie alle anderen sozialistischen Gruppen mit meist bestenfalls nur einigen hundert aktiven Mitgliedern. Die DSA wurde nach einer Dreiteilung der SP gegründet, die einst eine Bastion des Antikommunismus innerhalb der Linken war. Michael Harringtons Gruppe wurde zu einem festen Bestandteil des linken Flügels der „Democratic Party“. Harringtons Unterstützer schlossen sich mit einer „post-New Left“-Gruppe im Jahr 1982 zur DSA zusammen. Nachdem sie von Jesse Jackson 1984 in den Hintergrund gedrängt wurde, begann die DSA, linke Strömungen ernster zu nehmen und unterstützte Jackson 1988. Die Gruppe setzte ihre Arbeit nach Harringtons Tod 1989 fort, konnte aber nur unbedeutende Erfolge erzielen, hauptsächlich beim Anwerben von Jugendlichen.

Seit den Wahlen 2016 wendet sich das Blatt. Bernie Sanders‘ Entscheidung, die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, herauszufordern, ließ eine explizit linke Politik derart populär werden, dass das ganze politische System aus der Balance geriet. Sanders kandidierte als unabhängiger Kandidat für die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten und bezeichnete sich selbst als demokratischen Sozialisten. Als er trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieser Selbstbezeichnung Millionen von Unterstützer*innen anzog, gab Sanders der gesamten US-Linken neuen Auftrieb. Er verwies u.a. auf das skandinavische Wohlfahrtsstaatsmodell als mögliches Vorbild – selbst das wird in der neoliberalen Ära in den USA als radikal angesehen.

Die Reaktionen  von DSA, ISO, und der SAlt zeigen, wie sehr Sanders‘ Führung die Linke beeinflusst hat. Die DSA erhielt einen Schub, als sich Sanders-Unterstützer der einzigen Organisation annäherten, die nicht nur „Demokratische Sozialisten“ im Namen trug, sondern auch eine pluralistische, offene Struktur anbot. Die DSA unterstützte schon früh Sanders‘ Kandidatur, ihre Mitglieder nahmen aktiv an der Unterstützungskampagne teil, während die ISO stattdessen die Kandidatin der „Green Party“ unterstützte.

Die SAlt schloss sich der Kampagne für die Präsidentschaftskandidatur an, während sie gleichzeitig versuchten, Sanders zum Bruch mit den Demokraten zu bewegen. Als Sanders die Vorwahlen an Clinton verlor, spalteten sich die Sanders-Unterstützer in zwei Lager – das eine Lager entschied sich, Sanders bei seiner Unterstützung der Clinton-Kampagne zu folgen und eine einheitliche Front gegen Trump aufzubauen; das andere Lager bestand darauf, dass Sanders gegen die beiden maßgeblichen Parteikandidaten antreten solle. Die DSA schloss sich dem ersten Lager an, trotz einer verärgerten Minderheit, während die SAlt sich für das zweite entschied.

Nach Trumps Wahl vervierfachte sich die Mitgliederzahl der DSA. Die meisten dieser neuen Mitglieder haben nur wenige Monate politischer Erfahrung. Sie sind häufig weiß, gebildet und stehen einer unsicheren Zukunft gegenüber. Die Führung der DSA ringt darum, ihre Struktur zu erweitern, lebhafte Debatten über Politik, zukünftige Projekte und die generelle Ausrichtung sind ausgebrochen.

Wenn die DSA sich weiterhin so entwickeln kann, könnte sie der sozialistischen Linke für lange Zeit zu einem Kristallisationspunkt werden. Die neuen Mitglieder haben bereits Veränderungen bei offiziellen Standpunkten der DSA bewirkt, etwa die Abspaltung von der „Socialist International“ (u.a., um internationale Verbindungen auch zu anderen linken Parteien zu suchen), die Einführung von internen Diskussionsplattformen und die Verschärfung der kritischen Haltung gegenüber Israel.

Das Schicksal der Linken ist an das der Demokratischen Partei in den USA gebunden, an die „Democratic Party“ – diese Beziehung wird von ihr als Mittel zur Mobilisierung von Wählern ausgenutzt (was in den beiden Wahlkämpfen Obamas um die Präsidentschaft entscheidend war). Je stärker jedoch die Linke wird und sich gegen die neoliberale Politik der Parteiführung wendet, umso mehr wird sie von dieser als Klotz am Bein angesehen.

Sanders ist zurzeit sowohl die große akzeptierte Führungsfigur der Parteilinken als auch die populärste Persönlichkeit in der Politik in den USA. Er hat eine eigene Organisation, „Our Revolution“, die aber hauptsächlich aus einer Liste von Kontakten besteht und nur eine von mehreren linken Gruppierungen ist, die auf Seiten der Demokraten den öffentlichen Protest unter dem Schlagwort „the resistance“ mobilisiert. So gibt es etwa noch „Indivisible“, „Progressive Democrats of America“, „MoveOn“ und „Democracy for America“, die alle in klarer Opposition zur Trump-Pence-Regierung, zur Republikanischen Partei und zu den Mitte-Rechts-Demokraten stehen.

Alle diese Gruppen könnten eine Rolle bei der Neuausrichtung der US-Linken und generell in der Politik in den USA spielen.

Ethan Young