Formanalytisch-werttheoretische Marx-Lektüre (ab Mitte 1960er Jahre)

Dieser Strang der „Neuen Marx-Aneignung“ ist in Westdeutschland aus einer Phase hervorgegangen, die als „Rekonstruktion der Kritik der politischen Ökonomie“ bezeichnet wird und Mitte der 1960er begann. Diese Phase der Rekonstruktion kennzeichnet die „Neue Marx-Aneignung“ in der Bundesrepublik und z.T. in der DDR ganz allgemein.

Der formanalytisch-wertkritische Strang, der daraus hervorging, wird oft pauschalisierend als „wertkritisch“ bezeichnet, obwohl die Beschäftigung mit werttheoretischen und wertkritischen Fragen von unterschiedlichen Personen und an verschiedenen Orten geführt wird und die Ergebnisse mitunter ganz unterschiedlich ausfallen. Allerdings wird mittlerweile der zentrale Strang als „Neue Marx-Lektüre“ bezeichnet, ausgehend von Alfred Schmidt über die Adorno Schüler Hans-Georg Backhaus und Helmut Reichelt bis zu Michael Heinrich u.a. Eine dem Selbstverständnis nach explizit „wertkritische“ Diskussion führen AutorInnen um die Zeitschrift Krisis und Exit wie Norbert Trenkle, Ernst Lohoff, Roswitha Scholz und Robert Kurz.

Gemeinsam ist dieser Marx-Aneignung die Konzentration auf die werttheoretische Entwicklung der grundlegenden Kategorien des Kapitals (Wert, Ware, Geld, abstrakte Arbeit, Kapital) und insbesondere auf die Wertformanalyse. Obwohl werttheoretische und -kritische Fragen international diskutiert werden, haben sie besonders die Marx-Aneignung in Deutschland stark geprägt, oft im Anschluss an die Kritische Theorie und in enger Anbindung an die Ergebnisse der zweiten MEGA-Edition. Einführende Ausführungen dazu finden sich in Ingo Elbes Marx im Westen.

Auch in anderen Ländern begannen ab den 1960er/1970er Jahren verstärkt werttheoretische Diskussionen, etwa im angelsächsischen Raum und in Japan. Unterscheiden lassen sich hier strenger ökonomietheorisch ausgerichtete Diskussionen, etwa um Marx' Wert-  und Geldtheorie oder das sog. Transformationsproblem, und eher methodologisch und philosophisch ausgerichtete Diskussionen, etwa über die Bedeutung der Dialektik in Marx' Wert- und Geldbegriff.