marx200

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Neben revolutionen100 und kapital150 steht 2018 schließlich marx200 an: Karl Marx wurde am 5. Mai 1818 in Trier geboren, sein Geburtstag jährt sich zum 200.sten Mal. Auch der Weg zu Marx selbst muss die Geschichte des Marxismus durchqueren. Allerdings hat der Gang durch diese Geschichte längst begonnen, vor allem dank der neuen Marx-Aneignungen, die um das Jahr 1968 in vielen Ländern einsetzten.

Sie haben zu einer Reihe kritischer Unterscheidungen geführt, die erste betrifft die zwischen Marx selbst und dem Marxismus. Im traditionellen Marxismus war Marx eine umfassende Vereinheitlichung widerfahren: Marx‘ Werke wurden dort als eine stetige Weiterentwicklung ausgelegt, die ihren Höhepunkt im Kapital fand, das Kapital wiederum wurde als einheitliches, abgeschlossenes Werk behandelt. Auch die vermeintliche Einheit von Marx und Engels, die später um Lenin zum „Marxismus-Leninismus“ erweitert und zu einer regelrechten Weltanschauung ausgebaut wurde, erfuhr im Zuge einer neuen Lektüre eine kritische Revision. Ein Ergebnis der neuen Marx-Aneignungen bestand darin, zwischen Marx und Engels sowie zwischen Marx und Lenin zu trennen. Bei diesen Unterscheidungen geht es nicht um die Suche nach einem „authentischen“ Marx, ihr Zweck besteht vielmehr darin, Marx von Vereinnahmungen zu befreien und seine Texte zu öffnen. Die Abkehr von einem vereinheitlichten Marx und einem weltanschaulichen Marxismus hat zu einer neuen Vielfalt der Marx-Aneignungen und -Lesarten geführt. Die Lektüre der Marx’schen Schriften hat sich in zahlreiche Lesarten aufgefächert – ganz wie die kapitalismuskritische Linke, die heute unterschiedliche Widersprüche, Herrschaftsverhältnisse und Krisen betont und die Eigenständigkeit verschiedener Kämpfe anerkennt.

Doch muss die Vielfalt und Offenheit auch von Marx selbst her gedacht werden. Vielleicht entzieht sich Marx – wie jeder große Autor – einer eindeutigen und einheitlichen Auslegung durch die Mehrdeutigkeit und das Fragmentarische seines Werkes. Bei allem Reichtum und aller Mehrdeutigkeit des Marx‘schen Werks gibt es doch einen durchgehenden Grundzug, den es aufzunehmen gilt. Dieser Grundzug bricht sich sowohl gegen seine Vereinheitlichung als auch in der Vervielfältigung der Marx-Aneignungen Bahn: Marx war getrieben vom Bedürfnis nach einer angemessenen Kritik der herrschenden Verhältnisse. Kritik der Religion, Kritik der deutschen Ideologie, dann selbstkritische Abrechnung mit dem „ehemaligen philosophischen Gewissen“ und schließlich Kritik der politischen Ökonomie.

Dieses unstillbare Bedürfnis nach einer Kritik auf der Höhe ihres Gegenstandes war es, die Marx in seinen verschiedenen Schaffensphasen und Schriften beharrlich ins Werk setzte. Sein Ringen um eine der Sache selbst angemessene Darstellung ist dieser Kritik verpflichtet. Auch Marx selbst muss daher, als Person und in seinem Wirken, von der Anziehungskraft der Kritik wie von ihrer Eigenmächtigkeit her verstanden werden. Seine beständige Wiederkehr ist auch die Wiederkehr dessen, was in Marx und in seinem Werk wuchs und wucherte, womit er rang und nicht fertig wurde und was überhaupt nie stillzustellen ist – das, was ihm in seiner radikalen Religionskritik als letztes noch „heilig“ war: „…alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“.