Luxemburgs erste Analysen zur Revolution in Russland

Rosa Luxemburg Foto: Mit freundlicher Unterstützung des Karl Dietz Verlages Public Domain

Luxemburgs Manuskript „Zur russischen Revolution“ aus dem Jahre 1918 sollte, wie bekannt, zum Anstoß für kontroverse Diskussionen über den Charakter der Oktoberrevolution werden. Wesentliche Gedanken aus diesem Text gehen aber schon auf ihre ersten Analysen zu den Prozessen in Russland 1917 zurück, wie sich in ihren Beiträgen in den Spartakusbriefen zeigt.

Naturgemäß stellt sie zu diesem Zeitpunkt die Frage nach dem weiteren Verlauf des Weltkrieges in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Zentral ist für sie die Frage nach der Verantwortung des deutschen Proletariats:

„So ist die Frage des Friedens in Wirklichkeit an die ungehindertste, radikalste Entfaltung der russischen Revolution, diese aber an die revolutionäre Parallelaktion für den Frieden seitens sowohl des französischen, englischen und italienischen wie namentlich des deutschen Proletariats gebunden. Wird das internationale Proletariat die Auseinandersetzung mit der europäischen Bourgeoisie auf die russischen Arbeiter allein abwälzen, sie dem imperialistischen Furor der englisch-französisch-italienischen, der lauernden und drohenden Reaktion der deutschen Bourgeoisie preisgeben? Dies ist im Moment die wirkliche Formulierung der Friedensfrage.“

Aber der Text ist auch hinsichtlich anderer Aspekte interessant: sie bindet des Erfolg der Revolution an die Aktionen des internationalen Proletariats und hebt die Rolle des proletarischen Elements in Russland hervor. Gleichzeitig unterschätzt sie die Rolle der Bauernschaft. Von außen ist auch die Natur der von Provisorischer Regierung und einem Teil der Sowjet-Bewegung betriebene Kurs der „Vaterlandsverteidigung“ offensichtlich nur schwer aufzudecken.

Kurz, wer Luxemburgs „Zur russischen Revolution“ verstehen will, kommt an den Texten aus den „Spartakusbriefen“ nicht vorbei.

Rosa Luxemburg

 

Der alte Maulwurf

 

Mit dem Ausbruch der russischen Revolution ist der tote Punkt überwunden, auf den die geschichtliche Situation mit der Fortdauer des Weltkrieges und dem gleichzeitigen Versagen des proletarischen Klassenkampfes geraten war. In dem von Moderluft erfüllten Europa, worin man seit bald drei Jahren beinahe erstickte, ist gleichsam plötzlich ein Fenster aufgerissen worden, und ein frischer belebender Luftstrom weht hinein, dem sich alles tief aufatmend zuwendet. Namentlich die Blicke der „deutschen Befreier“ sind heute gespannt auf den Schauplatz der russischen Revolution gerichtet. Die winselnden Huldigungen der deutschen und österreichisch-ungarischen Regierung an die „Schnorrer und Verschwörer“ und die ängstliche Spannung, mit der man hier jede Äußerung Tschcheïdses und des Arbeiter- und Soldatenrats in bezug auf die Kriegs- und Friedensfrage auffängt, sind jetzt eine handgreifliche Bestätigung der Tatsache, der noch gestern sogar die oppositionellen Sozialisten von der A.G. verständnislos gegenüberstanden: der Tatsache nämlich, daß keinerlei diplomatische“ Verständigung“ und keine Wilson-Botschaften, daß einzig und allein die revolutionäre Aktion des Proletariats einen Ausweg aus der Sackgasse des Weltkrieges bietet. Die Sieger von Tannenberg und Warschau erwarten jetzt zitternd von den russischen Proletariern, von der „Straße“ allein die eigene „Befreiung“ aus der würgenden Schlinge des Krieges!

Allerdings, das Proletariat eines einzelnen Landes vermag auch mit dem größten Heroismus diese Schlinge nicht zu lösen. Die russische Revolution wächst von selbst zu einem internationalen Problem an. Die russischen Arbeiter kommen nämlich mit ihren Friedensbestrebungen in schärfsten Konflikt nicht nur mit der eigenen Bourgeoisie, die sie schon zu bändigen verstehen, sondern auch mit der englischen, französischen und italienischen Bourgeoisie. Die knurrenden Äußerungen der bürgerlichen Presse der Ententeländer, all der „Times“, „Matin“, „Corriere della Sera“, zeigen, daß die Kapitalisten des Westens, diese wackeren Kämpen der „Demokratie“ und der Rechte der „kleinen Nationen“, mit stündlich steigender zähneknirschender Wut auf die Fortschritte der proletarischen Revolution blicken, die der schönen Periode ungeteilter Herrschaft des Imperialismus in Europa ein Ziel gesetzt hat. Diese Kapitalisten der Entente bilden jetzt hinter der russischen Bourgeoisie, gegen die das russische Proletariat zum Kampfe um den Frieden aufsteht, die stärkste Rückendeckung. Sie können in jeder Weise: diplomatisch, finanziell, handelspolitisch den stärksten Druck auf Rußland ausüben und tun es sicher schon jetzt. Liberale Revolution? Provisorische Regierung der Bourgeoisie? Schön! Sie wurden sofort offiziell anerkannt und begrüßt als Bürgschaften für eine militärische Ertüchtigung Rußlands, als gehorsame Werkzeuge des internationalen Imperialismus. Aber keinen Schritt weiter! Kehrt die russische Revolution ihren proletarischen Kern hervor, wendet sie sich logisch gegen den Krieg und den Imperialismus, dann zeigen ihr die teueren Verbündeten sofort die Zähne und werden ihr in jeglicher Weise die Kandare anzulegen suchen. Daraus ergibt sich für das sozialistische Proletariat Englands. Frankreichs und Italiens jetzt die unabweisbare Pflicht, die Fahne der Rebellion gegen den Krieg durch nachdrückliche Massenaktionen im eigenen Hause, gegen die eigenen herrschenden Klassen, zu erheben, wollen sie nicht an dem russischen revolutionären Proletariat blanken Verrat üben, es im ungleichen Kampfe nicht nur mit der russischen Bourgeoisie, sondern auch mit derjenigen des Westens verbluten lassen. Die bereits ausgeübte Einmischung der Ententemächte in die internen Angelegenheiten der russischen Revolution ist ein Ehrengebot an die Arbeiter jener Länder, durch einen revolutionären Flankenangriff gegen die eigenen herrschenden Klassen zur Erzwingung des Friedens die russische Revolution zu decken.

Nun aber die deutsche Bourgeoisie! Mit einem sauer lächelnden und einem bitter weinenden Auge schaut sie auf die Aktion und die Machtstellung des russischen Proletariats. Gewöhnt und verwöhnt, zu Hause die Arbeitermassen bloß als militärisches und politisches Kanonenfutter zu betrachten, möchte sie das russische Proletariat wohl dazu ausnutzen, sich ehestens den Krieg vom Halse zu schaffen. Der deutsche Imperialismus in Nöten, der gerade jetzt im Westen wie in Kleinasien tief in der Klemme sitzt und zu Hause vor Ernährungssorgen nicht ein noch aus weiß, möchte sich so rasch wie möglich mit leidlichem Anstand aus der Affäre ziehen, um sich in Ruhe wieder zu weiteren Kriegen auszuflicken und zu rüsten. Dazu soll die russische Revolution dienen, und zwar durch ihre proletarisch-sozialistische Friedenstendenz. Es ist dieselbe Spekulation des Imperialismus, nun mit Hilfe der russischen Revolution Geschäfte zu machen, wie bei den Ententemächten, nur von umgekehrter Seite. Die Westmächte wollen die bürgerlich-liberale Tendenz der Revolution vor den Wagen des Imperialismus spannen, um den Krieg bis zur Niederwerfung des deutschen Konkurrenten fortzusetzen. Der deutsche Imperialismus möchte sich die proletarische Tendenz der Revolution dienstbar machen, um sich der drohenden militärischen Niederlage zu entziehen. Ei, warum denn nicht, meine Herrschaften? Die deutsche Sozialdemokratie hatte so brav dazu gedient, die Entfesselung des Völkermordes als „Befreiungsaktion“ wider den russischen Zarismus zu maskieren, nun soll die russische Sozialdemokratie dazu helfen, die in den Nesseln sitzenden „Befreier“ aus der stachligen Lage des schiefgegangenen Krieges zu befreien. Die deutschen Arbeiter haben den Krieg mitgemacht, als es dem Imperialismus paßte, die russischen sollenden Frieden machen, wenn es ihm paßt.

Indes, mit Tschcheïdse Kirschen essen, ist nicht ganz so kinderleicht wie mit einem Scheidemännchen. Durch eine eilige „Kundgebung“ der „Norddeutschen Allgemeinen“ und durch rasche Entsendung Scheidemannes nach Stockholm zu „Unterhandlungen“ kann man sich höchstens von den russischen Sozialisten sämtlicher Schattierungen einen Fußtritt holen. Als rasch befummelte „Schiebung“ eines Separatfriedens mit Rußland zwischen Tür und Angel, wie ihn die deutschen „Befreier“ gern möchten, denen es auf den Nägeln brennt, geht das Ding entschieden nicht zu machen. Damit das russische Proletariat seine Friedenstendenz zum Siege bringt, ist nötig, daß es im ganzen eine zunehmend ausschlaggebende Stellung im Lande einnimmt, daß seine Klassenaktion an Umfang, an Schwung, an Gründlichkeit, an Radikalismus ins Riesenhafte wächst, daß die Sozialdemokratie alle noch unklaren, vom bürgerlichen Nationalismus genasführten Schichten mitreißt oder niederwirft. Dieser klar sichtbaren und unausweichlichen, aber so abschreckenden Kehrseite der Friedenstendenz in Rußland blicken nun die deutschen „Befreier“ mit schlecht verhehltem Entsetzen ins Antlitz. Sie fürchten – und mit gutem Fug -, daß der russische Mohr, anders als der deutsche, nachdem er seine Arbeit getan, nicht wird „gehen“ wollen, und sie fürchten die Funken, die von dem nachbarlichen Brand auf die ostelbischen Scheunen herüberfliegen können. Sie sehen wohl ein, daß nur die Entfaltung der äußersten revolutionären Energie in einem umfassenden Klassenkampf um die politische Macht in Rußland die Friedensaktion wirksam durchzusetzen vermag, sie sehnen sich aber zugleich nach den Fleischtöpfen des Zarentums, nach der „jahrhundertalten treu bewahrten Freundschaft mit dem östlichen Nachbarn“, dem Romanowschen Absolutismus. Tua res agitur! Um deine Sache handelt es sich! Dieser Warnungsruf eines preußischen Ministers gegen die russische Revolution lebt in der Seele der deutschen herrschenden Klassen, und die Helden des Königsberger Prozesses sind alle noch „so herrlich wie am ersten Tag“. Eine Republik, und zwar eine vom revolutionären sozialistischen Proletariat frisch gezimmerte und beherrschte Republik, direkt in der Flanke haben, das ist wirklich mehr, als man dem ostelbischen Polizei- und Militärstaat zumuten darf. Und seine ostelbische Polizeiseele muß ihr geheimes Grauen auch noch auf offenem Markte bekennen. Die deutschen „Befreier“ müssen heute öffentlich mit gehobenem Finger schwören und versprechen, daß sie nicht beabsichtigen, die Revolution zu erdrosseln und den lieben stupsnasigen Nikolai wieder auf den Zarenthron zu setzen! Zu dieser klatschenden Ohrfeige, die sich die deutschen „Befreier“ selbst vor aller Welt geben mußten, hat sie die russische Revolution gezwungen, und sie hat damit plötzlich die ganze infame Lüge aus der Geschichte gestrichen, von der die deutsche Sozialdemokratie und die offizielle Mythologie des deutschen Militarismus drei Jahre lang lebten. So reinigend, so lügenvertilgend, so antiseptisch wirkt der Sturm einer Revolution, so fegt er mit eisernem Besen plötzlich alle Dunghaufen der offiziellen Heuchelei hinweg, die sich seit Ausbruch des Weltkrieges und dem Verstummen des Klassenkampfes in Europa angesammelt hatten. Der Ententebourgeoisie hat die russische Revolution die Maske der „Demokratie“ vom Gesicht gerissen, dem deutschen Militarismus – die Maske des Befreiers von der zarischen Despotie.

Jedennoch, die Frage des Friedens ist auch für die russischen Proletarier nicht ganz so einfach, wie es Hindenburg und Bethmann just in den Kram paßt. Gerade der Sieg der Revolution wie ihre ferneren Aufgaben bedürfen einer sicheren Rückendeckung für die Zukunft. Der Ausbruch der Revolution und die gebieterische Stellung des Proletariats haben sofort den imperialistischen Krieg in Rußland darauf reduziert, was er der verlogenen Phrase der herrschenden Klassen nach angeblich in allen Ländern ist: eine Landesverteidigung. Den Herren Miljukow und Konsorten wurden die schönen Konstantinopel-Träume und die weltbeglückenden „demokratisch-nationalen“ Umteilungspläne von der Arbeiter- und Soldatenmasse sofort in den Mund zurückgedrückt, und mit der Losung der Landesverteidigung ist Ernst gemacht worden. Allein die russischen Proletarier können mit gutem Gewissen nur dann den Krieg beenden und den Frieden machen, wenn ihr Werk: die Errungenschaften der Revolution sowie ihr weiterer ungehinderter Fortgang gesichert sind! Sie, die russischen Proletarier, sind heute die einzigen, die wirklich die Sache der Freiheit, des Fortschritts und der Demokratie zu verteidigen haben. Und diese Dinge müssen heute gesichert werden nicht bloß gegen die Schikanen, den Druck und den Kriegsfuror der Ententebourgeoisie, sondern morgen vor allem – gegen die „Fäuste“ der deutschen „Befreier“. Ein halbabsolutistischer Polizei- und Militärstaat ist keine gute Nachbarschaft für eine junge, von inneren Kämpfen geschüttelte Republik und eine im Kadavergehorsam erprobte imperialistische Soldateska keine gute Nachbarschaft für ein revolutionäres Proletariat, das zu den kühnsten Klassenkämpfe von unübersehbarer Tragweite und Dauer ausholt.

Schon jetzt bedeutet die Okkupation des unglückseligen „Unabhängigen Polens“ durch die Deutschen einen schweren Schlag gegen die russische Revolution. Ist doch dadurch die Operationsbasis der Revolution eingeengt, ein Land, das stets einer der flammendsten Herde der revolutionären Bewegung war und politisch 1905 mit an der Spitze der russischen Revolution marschierte, gänzlich ausgeschaltet, sozial in einen Kirchhof, politisch in eine deutsche Kaserne verwandelt. Wer garantiert nun, daß morgen, nach Friedensschluß, sobald der deutsche Militarismus seine Pranken aus dem Eisen befreit hat, er sie nicht dem russischen Proletariat in die Flanke schlägt, um der gefährlichen Erschütterung des deutschen Halbabsolutismus vorzubeugen?!

Um sich darüber zu beruhigen, dazu genügen die gewürgten „Versicherungen“ der gestrigen Helden des Königsberger Prozesses denn doch nicht. Das Beispiel der Pariser Kommune ist noch in zu frischer Erinnerung. Überhaupt: die Katze läßt das Mausen nicht. Der Weltkrieg hat gerade in Deutschland eine solche Orgie der Reaktion entfesselt, eine derartige Allmacht des Militarismus enthüllt, die deutsche Arbeiterklasse als solche Scheingröße entblößt, die Grundlage der sogen. „politischen Freiheit“ in Deutschland als so nichtig und brüchig aufgezeigt, daß die Aussichten von dieser Seite ein tragisch-ernstes Problem geworden sind. Die „Gefahr des deutschen Militarismus“ für das imperialistische England oder Frankreich ist freilich Humbug, Kriegsmythologie, Konkurrenzgeschrei. Die Gefahr des deutschen Militarismus für das revolutionäre republikanische Rußland hingegen ist eine sehr reale Tatsache. Die russischen Proletarier wären gar zu leichtsinnige Politiker, wenn sie sich nicht die Frage vorlegen würden: wird das deutsche Kanonenfutter, das sich heute auf allen Feldern vom Imperialismus zur Schlachtbank führen läßt, nicht sich morgen auch gegen die russische Revolution kommandieren lassen? Scheidemann, Heilmann und Lensch werden schon dafür eine „marxistische“ Theorie besorgen, und Legien und Schlicke werden den Vertrag auch für diese Sklavenlieferung schon ausfertigen, getreu der vaterländischen Tradition der deutschen Fürsten, die ihre Landeskinder als Kanonenfutter in die Fremde verkauften.

Gegen diese natürlichen Zukunftssorgen der russischen Revolution gibt es nur eine ernste Garantie: das Erwachen des deutschen Proletariats, eine Machtposition der deutschen „Arbeiter und Soldaten“ im eigenen Hause, eine revolutionäre Aktion des deutschen Volkes für den Frieden. Mit Bethmann und Hindenburg Frieden schließen ist für die russischen Revolutionssoldaten ein verdammt schwieriges Wagnis und ein zweideutiges Ansinnen. Mit den deutschen „Arbeitern und Soldaten“ wäre der Friede sofort geschlossen und auf granitene Basis gestellt.

So ist die Frage des Friedens in Wirklichkeit an die ungehindertste, radikalste Entfaltung der russischen Revolution, diese aber an die revolutionäre Parallelaktion für den Frieden seitens sowohl des französischen, englischen und italienischen wie namentlich des deutschen Proletariats gebunden.

Wird das internationale Proletariat die Auseinandersetzung mit der europäischen Bourgeoisie auf die russischen Arbeiter allein abwälzen, sie dem imperialistischen Furor der englisch-französisch-italienischen, der lauernden und drohenden Reaktion der deutschen Bourgeoisie preisgeben? Dies ist im Moment die wirkliche Formulierung der Friedensfrage.

Der Konflikt zwischen der internationalen Bourgeoisie und dem russischen Proletariat läßt so die letzte Phase der Weltlage als Dilemma erscheinen: entweder Weltkrieg bis zum allgemeinen Weißbluten oder proletarische Revolution – Imperialismus oder Sozialismus.

Und hier stehen wir wieder vor unserer alten verratenen Losung der Revolution und des Sozialismus, die wir tausendmal in der Agitation wiederholt und mit der wir verabsäumt haben, Ernst zu machen, als sie mit dem Ausbruch des Weltkrieges zum Fleisch werden sollte. Sie ergab sich dann wieder logisch für jeden denkenden Sozialisten aus der langen und hoffnungslosen Dauer des Völkermordes. Sie ergab sich noch einmal schon handgreiflich in negativer Form aus dem kläglichen Fiasko der diplomatischen Verständigungsversuche und des bürgerlichen Pazifismus. Heute steht sie wieder positiv vor uns, sie ist Fleisch geworden in dem Werk, den Schicksalen und der Zukunft der russischen Revolution. Trotz Verrat, trotz allgemeinem Versagen der Arbeitermassen, trotz Zerfall der sozialistischen Internationale bricht sich das große historische Gesetz Bahn – wie ein Bergwasser, dem man das gewohnte Bett verschüttet hat und das, in die Tiefe gefallen, an unerwarteter Stelle wieder in hellem Strahl an den Tag springt.

Alter Maulwurf, Geschichte, du hast brav gearbeitet! In diesem Moment ertönt über dem internationalen, über dem deutschen Proletariat wieder das Losungswort, der Mahnruf, wie sie nur die große Stunde einer Weltwende bringen kann: Imperialismus oder Sozialismus! Krieg oder Revolution! Ein Drittes gibt es nicht!

aus: Spartacus Nr. 5 vom Mai 1917. in: Spartakusbriefe, Dietz Verlag, Berlin, 1958. S.322-329