Ein doppelter 8. März

Begrüßung Clara Zetkins nach ihrer Rückkehr aus der SU in Berlin, 30.08.1927
Begrüßung Clara Zetkins nach ihrer Rückkehr aus der SU in Berlin, 30.08.1927 Foto: Karl Dietz Verlag Berlin ©

In Russland ist der 8. März ein gesetzlicher Feiertag - anlässlich des Internationalen Frauentags, des Weltfrauentags, des Frauenkampftags, des Internationaler Frauenkampftags und wie immer man diesen Tag noch nennen mag. Gleichberechtigung, Frauenwahlrecht, Emanzipation der Arbeiterinnen, das waren und sind die politischen Begriffe, die sich seit dem späten ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts damit verbinden. Nicht nur für Russland verbindet sich mit dem Tag aber noch ein weiteres historisches Datum: Am 8. März 1917 begann die Februarrevolution. In der öffentlichen Erinnerung spielt diese nur eine zweite und eher leise Geige - übertönt von der Erinnerung an das, was dann wenige Monate später folgte: die Oktoberrevolution.

Heutige Einschätzungen fallen dabei nicht nur in politische Raster, in denen die Ereignisse der zweiten Hälfte des Jahres 1917 mal hell erstrahlen, mal eine dunkle Epoche ankündigen. Es wird in aller Regel auch vom Ende der Geschichte her darüber gesprochen - und das hat Folgen für die Erinnerung. In der „Frankfurter Allgemeinen“ hat der Freiburger Historiker Dietmar Neutatz auf diese Tatsache jetzt noch einmal hingewiesen, sein Text „Die Entfesselung der Gesellschaft„ dürfte in seiner Beurteilung des Fortgangs der Geschichte nach 1917 nicht überall auf Beifall stoßen. Aber während über die Oktoberrevolution und ihre Folgen eine Art Alltagswissen herrscht, selbst wenn dies von politischen Bewertungen oder von Detailunkenntnis geprägt sein mag, scheint das Verständnis vom Ausgangspunkt im Februar und dem, was sich damit an Möglichkeiten verband, eher verkümmert.

„Selten liest man hingegen, was die Provisorische Regierung in der kurzen Zeit ihres Bestehens auf den Weg gebracht hat“, so Neutatz. „Kaum im Amt, setzte sie einen fundamentalen Wandel nach rechtsstaatlichen und demokratisch-freiheitlichen Prinzipien in Gang.“ Wer im Deutschlandradio Kultur das Kalenderblatt über „Das Ende der Zarenherrschaft in Russland“ gehört hat, konnte darüber kaum etwas erfahren: die schwerwiegenden Folgen des Kriegs, die Hungerrevolten, die Streiks, die Soldaten, die sich den Arbeitern anschlossen … und dann scheitert praktisch schon die provisorische Doppelregierung. Was dazwischen geschah, bleibt im Nebel, der aus dem erst folgenden Oktober zurück in die Geschichte weht. Der Sender Arte versuchte sich an einem besonderen Format des Rückblicks - er erzählte den Sturz der Romanows als Breaking-News-Geschichte inklusive Expertinnenkommentar von der Börse. Ob das einem Publikum die Ereignisse näher bringen konnte, das andere Mediengewohnheiten hat? Einen kleinen Schwerpunkt in der journalistischen Betrachtung des Jahres 1917 bildet dafür heuer die Frage, wie die Regierung Putin mit dem Doppeljubiläum umgeht - etwa hier und hier.

Zurück zum 8. März. Dass dieser heute gar als „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ begangen wird, hat durchaus etwas mit dem Jahr 1917 und der Februarrevolution zu tun. Noch einmal Historiker Neutatz: „Der Frauentag, der 1910 von der deutschen Sozialistin Clara Zetkin ausgerufen worden war, aber zunächst kein festes Datum hatte, wurde 1921 von der 2. kommunistischen Frauenkonferenz auf den 8. März gelegt – zu Ehren der Arbeiterinnen, die 1917 auf die Straße gegangen waren.“